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SXSW 2018: Autonomes Fahren kommt - wird aber (viel) Zeit brauchen!

Warum sich das vollumfängliche Einführen des autonomen Fahrens bis zu 100 Jahre hinziehen kann, diskutierte David Friedman mit seinem Board.

Kritisch: Friedman (links) und sein Panel. | Foto: G. Soller
Kritisch: Friedman (links) und sein Panel. | Foto: G. Soller
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Gregor Soller

David Friedman ist beim Consumer Report für die Mobilität verantwortlich. Und da Amerikaner seit jeher gern zahlengetrieben sind, wenn es ums Argumentieren geht, startet auch Friedman mit Zahlen: Welche durch  das autonome Fahren viel besser sein könnten: So stehen die Amerikaner jedes Jahr sieben Milliarden Stunden im Stau, verfeuern täglich Sprit für rund eine Milliarde Dollar und geben rund ein Sechstel ihres Einkommens für Mobilität aus. Noch schwerer wiegen aber die 37461 Unfalltoten des Jahres 2016 – was über 100 Personen täglich entspricht und die 2,5 Millionen Verletzten. Das autonome Fahren kann hier helfen, aber nicht sofort, meint Cathy Case, die Präsidentin der Advokaten für Sicherheit bei den Fahrzeugen und auf dem Highway, unter denen sich in den USA mehrere Organisationen zusammengeschlossen haben. Deshalb fordert die begeisterte Motoradfahrerin eine weniger aggressive Zeitlinie und ganz nebenbei, dass doch alle Biker einfach mal immer ihren Helm tragen sollten. Ihre Befürchtung: Sollten unausgereifte Schnellschüsse abgefeuert werden, könnte das wie bei der Abgasproblematik zu einem Rattenschwanz von Problemen und einem Vertrauensverlust der Konsumenten führen.

Auch Bryan Reimer, beim MIT Age Lab für neue Techniken zuständig, bremst hier mit: Das Auto hat eine über 100-jährige Evolution hinter sich und es dauert je rund 8 bis 10 Jahre, um fünf Prozent der gesamten Fahrzeugflotte zu tauschen. Außerdem gebe es bisher zu wenig Praxiserfahrungen und auch er stimmt mit Chase überein, dass bei Entwicklungspannen „immer das Negative“ haften bleibt. Ein Problem sei auch, dass die Erwartungen sehr hoch seien: Natürlich kann und wird es auch mit autonom fahrenden Autos Todesfälle geben, aber genau das darf ja eigentlich nicht sein, argumentiert Reimer.

Dem pflichtet David Strickland, Partner der Kanzlei Venable LLP und Sprecher der Self-Driving-Koalition für mehr Sicherheit auf den Straßen, bei: Das Verkehrssystem und dessen Gesetze seien seit rund 50 Jahren kaum geändert worden, stießen aber jetzt an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Außerdem dauere es noch mindestens drei Jahre, bis die Technik marktfähig sei. Bis dahin müssen erst andere Helfer wie der automatische Notbremsassistent eingeführt werden – und wenn man sich die Zeitlinie dieser Einführungen ansehe, brauche man Geduld. Trotzdem dürfe man hier nicht auf den Gesetzgeber warten – 94% der Unfälle entstünden durch menschliches Versagen, das mit der Einführung autonom fahrender Autos reduziert werden könne.

Welcher Zeithorizont da wirklich aufzumachen sei, wagt Reimer nicht zu sagen: Das könne die „nächsten 100 Jahre“ dauern, bis es allumfänglich umgesetzt sei, zumal auch immer noch Menschen Spaß am Fahren haben. Hier pflichtet Motorradfahrerin Case bei, zumal es aktuell noch keine Kunden, die Erfahrungen hätten. „Wir sind ein Land der Cowboys – wir können Autos schon autonom von Küste zu Küste fahren lassen, aber der Ferrari-Pilot will das gar nicht“, argumentiert Strickland, weshalb es tatsächlich über lange Zeit mehrere Formen des autonomen Fahrens geben könne.

Ein weiteres Argument ist laut Reimer die technische Weiterentwicklung, die heute nicht abzusehen sei. Als Beispiel nimmt er die Rückfahrkamera mit Hinderniswarnung und Zwangsstopp: Dieses System sei so viel besser als die Parkpiepser, die noch vor 15 Jahren als Nonplusultra beim Rangieren galten. Insofern bleibe nichts anderes übrig als mit den heutigen Standards zu starten und die Systeme von dort aus weiterzuentwickeln. Er vergleicht den Stand des autonomen Fahrens mit dem Flugverkehr der 40er bis 50er-Jahre, wo auch durch Fehlkonstruktionen immer mal wieder Maschinen abstürzten. Ein Problem laut Strickland: Versagt ein autonomes Fahrzeug, wird das ein Drama geben, während die über 100 Verkehrstoten täglich in der Regel unbemerkte Einzelschicksale bleiben. Entsprechend wird sich laut Strickland auch die Haftung und Gesetzgebung weiterentwickeln müssen.

Zum Schluss der Session fragt Friedman die Teilnehmer, ob sie glauben, dass autonomes Fahren in den USA in 30 Jahren Standard sein könnte. Nachdem sich Chase und Strickman gegenseitig den Vortritt lassen, muss Reimer beginnen: „In einzelnen Städten oder Gemeinden könnte das ein Standard sein, aber nicht in den ganzen USA.“ Dem pflichtet Strickland mit einem klaren „No“ bei - und Chase fordert bis dahin einmal mehr das Einhalten der Helmpflicht.

Was bedeutet das?

Je nachdem, wen man zum Thema befragt, erhält man unterschiedliche Antworten. Während die Industrie optimistisch bis 2020 mit einzelnen Projekten starten möchte, bleiben Organisationen und Anwälte skeptisch, wenngleich auch sie fordern, das autonome Fahren so schnell wie möglich zu starten, um die Zahl der Verkehrsunfälle zu senken.

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