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Schnellladenetz: Ionity gibt Gas, das Eichrecht bremst

Infrastruktur-Start-Up und Softwarepartner Has-to-be halten Eichrechtskonformität für wichtig, beklagen aber die bürokratische Umsetzung, bevor es nur eine messtechnische Lösung gibt.

Mehr Kulanz zum Start: Michael Hajesch von Ionity und Martin Klässner von Has to be kritisierten den zähen Prozess beim Thema Eichrechtskonformität. | Foto: J. Reichel
Mehr Kulanz zum Start: Michael Hajesch von Ionity und Martin Klässner von Has to be kritisierten den zähen Prozess beim Thema Eichrechtskonformität. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Das Schnellladeinfrastrukturunternehmen Ionity und der Software-Spezialist Has-to-be haben das zähe Prozedere beim Thema DC-Eichrechtskonformität kritisiert und mehr Kulanz in der Markthochlaufphase der Elektromobilität gefordert. Bei der Veranstaltung "be connected conference" in München erklärte Michael Hajesch, CEO der Kooperation der deutschen Automobilhersteller für ein europaweites Schnellladenetz, der deutsche Gesetzgeber habe hier den Prozess auf den Kopf gestellt, anders etwa als bei den Vorgaben für Abgasnormen, bei denen ein klares Konformitäts- und Prüfverfahren aufgesetzt sei, bevor die gesetzliche Regelung greift. "Es gibt für den DC-Schnellladebereich schlicht noch keine messtechnische Lösung inklusive Transparenzsoftware. Wir bauen aber jetzt unser Ladenetz auf, wir starten jetzt in die E-Mobilität und brauchen hier Klarheit", erklärte Hajesch in einem Pressegespräch.

Er fürchtet, bis zum Ende der gewährten Übergangsphase im März 2019 noch keine fertige Lösung zu haben, die auch konformitätsgeprüft ist. Die amtlichen Prozesse bei den überlasteten Konformitätsbewertungsstellen dauerten hier viel zu lang, was in Anbetracht der vielen neuen Anbieter nicht verwundere. "Und wenn es denn eine Lösung gibt, wäre die Nachrüstung mit geeichten Zählern an den Säulen sehr aufwändig und teuer", skizzierte Hajesch die Problematik aus Sicht eines Infrastrukturanbieters. Das müsse am Ende der Verbraucher bezahlen. Er plädierte für eine kulantere Auslegung der grundsätzlich richtigen gesetzlichen Regelung mit Toleranzen während der Startphase. Der CEO verwies auf den enorm wichtigen norwegischen Markt, wo man für eine schnelle Durchsetzung der E-Mobilität pauschal nach Minuten abrechnet und nicht nach kWh.

Transparenz wichtig, Kulanz aber auch

"Wir befürworten aus Verbrauchersicht ganz klar, dass es mittelfristig eine transparente und eichrechtskonforme Abrechnung und zwar nach Kilowattstunden als maßgebliche Einheit geben muss. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um die Akzeptanz der Elektromobilität zu sichern", stellte Martin Klässner, CEO der Has-to-be GmbH. Die Firma ist derzeit dabei, eine sogenannte Transparenzsoftware für die Überprüfung von Ladesäulendaten zu entwickeln. Deutschland sei hier sicher korrekter als manche andere Länder in der Ausführung der EU-Verordnung. Das sei auch gut so, denn natürlich sei es verlockend, wenn man ohne Konsequenzen dem Kunden bis zu zwei kWh Stunden mehr in seine Abrechnung schmuggeln könne. "Wenn wir dieses Fenster offen lassen, dann wird es auch genutzt", warnte der Software-Spezialist vor Missbrauch.

Dennoch stelle das derzeitge Beharren auf Eichrechtkonformität im DC-Ladebereich einen akuten Hemmschuh dar. "Das Eichrecht ist eine Blockade, es verhindert Innovationen und bringt dem Verbraucher im Moment noch nichts", beklagte Klässner. Sein Unternehmen will bis Ende des Jahres eine in der gemeinsamen Initiative S.A.F.E. entwickelte Software präsentieren, die Ende 2019 auch als "open source"-Lösung zur Verfügung stehen soll. Mittels dieser Software sollen Verbraucher nach dem "End-to-End"-Prinzip die Daten auf ihrer Rechnung mit den Daten der jeweiligen Ladesäule abgleichen können, um etwaige Manipulationen auszuschließen.
 

Strom tanken ist komplexer als Benzin tanken

Ionity-Chef Hajesch erklärt, dass man trotz der speziellen Schwierigkeiten in Deutschland die Ladesäulenverteilung gleichmäßig entlang der Fernstrecken vornehmen werde, auch wenn die Prozesse in anderen Ländern vielleicht einfacher seien. "Dafür ist Deutschland als Transitland einfach zu wichtig", erklärte der CEO. Derzeit sind 20 Ladesäulen des Netzwerkes in Betrieb, 40 im Bau. Bis 2020 will man die europäischen Fernstraßen mit einem Netz von 400 Stationen versorgen. Für ihn ist klar, dass die Abrechnung in kWh ein Hauptmaß der Kalkulation sein muss. "Aber wir brauchen auch Differenzierungsmöglichkeiten. Schließlich sind unsere Standorte nah an der Autobahn, sie bieten eine gewisse Infrastruktur mit Pausenmöglichkeiten herum und vor allem hohe Ladeleistung bis 350 kW. Das kostet natürlich mehr als eine 22 kW-Säule im städtischen Umfeld", erklärte Hajesch. Er befürworte daher auch eine von diesen Parametern abhängige "Session Fee". "Strom tanken ist nicht wie Sprit tanken und deutlich differenzierter", resümierte der Manager.

Was bedeutet das?

Es ist mal wieder typisch deutsch, immer erst die Gefahr sehen und alle Eventualitäten ausschließen. Und das ist irgendwo auch gut so. Aber wenn man die Elektromobilität endlich aus den Puschen bekommen will, dann muss man für die Markhochlaufphase Kulanz und Toleranz, sprich das rechte Augenmaß walten lassen. Und nicht auf die Buchstaben des sicher aus Sicht des Verbraucherschutzes sinnvollen Gesetzes pochen, das man offenbar amtlicherseits noch nicht einmal bis ins Detail des Konformitätsprozesses ausdefiniert hat. Gut, wenn zwei wichtige Player im DC-Lademarkt jetzt darauf hinweisen. Wohlgemerkt: Es geht hier um den möglichen Stromverbrauch der Eichzähler, der im Minimalbereich liegen dürfte und eventuell dem Kunden angelastet würde. Viel gravierender finden wir die horrenden Strom- und Ladepreise an vielen Säulen, die Kunden bisher berappen müssen und die gerne mal das Doppelte von Haushaltsstrom ausmachen, angereichert mit dubiosen Zeit- und Anstöpselgebühren. Das bisschen "Kriechstrom" eines Zählers fällt da kaum ins Gewicht.

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