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Motoradmesse Eicma in Mailand: Dezent unter Strom gesetzt

Auch auf der Zweirad-Leitmesse Eicma fanden sich einige „Elektriker“ – in erster Linie Roller sämtlicher Formate.

Noch sind alle Neuheiten abgedeckt - hier am BMW-Stand. | Foto: BMW
Noch sind alle Neuheiten abgedeckt - hier am BMW-Stand. | Foto: BMW
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Gregor Soller

Die Eicma in Mailand gilt als Leitmesse für die europäische Motorradindustrie. Schon vor rund sechs Jahren wurden die ersten Elektrozweiräder präsentiert und noch immer dominieren vor allem in den schwereren Klassen brüllende Zweizylinder mit gut belederten Models die Messe. Ganz klassisch feiern auch wieder zahlreiche Retro-Bikes Premiere samt der wider erfundenen Marke Lambretta.

Womit wir bei den Rollern und der Elektrofraktion wären: Nachdem es lange in der italienischen Gerüchteküche gebrodelt hat, kochte Piaggo jetzt endlich elektrisch auf: Die Italiener präsentierten endlich die lang erwartete Vespa Elettrica, die 2,7 PS Dauerleistung in etwa das Niveau ihrer 50er-Geschwister bringt, aber prinzipbedingt mehr Drehmoment und Punch von unten heraus hat. Als Reichweite nennt Piaggio 100 Kilometer, eine Komplettladung soll vier Stunden dauern. Außerdem plant Piaggo auch eine Hybridversion mit zusätzlichem Generator, der die Reichweite nochmal verdoppeln soll. Und auch in Sachen „Connectivity“ geht Piaggio den nächsten Schritt: Die neue „Wespe“ wird auch einen Smartphone-Anschluss bieten. Zu den Preisen wollte man sich noch nicht konkret äußern, zumal Piaggio plant, die Elettrica ab Frühjahr online zu vertreiben und dann gegen monatliche Gebühren samt Servicepaket zu verleasen.

Der „Gegen-Klassiker“ nördlich der Alpen wäre die Schwalbe, die von Govecs als E-Roller wiederbelebt wurde. Dem stellte man in Mailand jetzt die stärkere Version L3e zur Seite, deren Bosch-Antrieb 8 kW respektive 11 PS leistet und die Schwalbe mit bis zu 90 km/h fliegen lässt. Dabei werden drei Fahrmodi angeboten, ABS gibt es optional. Die beiden Lithiumionen-Akkus bieten 4,8 kWh Gesamtkapazität und sollen für bis zu 90 Kilometer Reichweite. Gut sein. Auch hier soll die Voll-Ladung viereinhalb Stunden dauern. Auch die starke Schwalbe wird online vertrieben. Reparaturen und Wartung erfolgen auch hier über den „Home-Service“, der zum Kunden kommt. Die Preise starten bei 5800 Euro netto.

Doch nochmal zurück nach Italien: Im Gegensatz zur Vespa von Piaggo noch ziemlich unbekannt ist die italienische Marke Nito mit den freitagend gestalteten MOD 5 und MOD 10, die auf 45 km/h beziehungsweise 90 km/h Spitze ausgelegt sind. Die Reichweite des Lithium-Akkus soll 60 bis 80 Kilometer betragen. Die Ladezeit der herausnehmbaren Batterie an der Haushaltssteckdose soll zwischen drei und vier Stunden dauern. Die Preise sollen ab  bei knapp 4000 Euro netto starten.

Zwischen Deutschland und Italien agiert die österreichische KSR Group, die zahlreiche Marken vertreibt und unter ihrer Eigenmarke KSR Moto den Elektroroller Vionis vorstellt. Der hat einen 2kW-Bosch-Motor, der 46 Newtonmeter Kraft bietet. Der herausnehmbare Lithium-Akku bietet 1,2 kWh Kapazität und 55 Kilometer Reichweite. Der Knüller soll aber der Preis sein: 1680 Euro netto sind 1999 Euro brutto.

Bleiben wir in Österreich, wo Platzhirsch KTM sich diesmal eher auf Verbrenner kapriziert hat, deren Herz der völlig neuen LC8c-Reihen-2-Zylinder mit 105 PS und 86 Nm Drehmoment ist. Da ging die kürzlich präsentierte zweite Generation des Elektro-Geländegängers Freeride E-XC etwas unter. Deren E-Maschine leistet 18 kW respektive 24 PS und hängt in einem überarbeiteten Verbundrahmen, der stabiler ausfallen soll als bei der Vorgängerin. Und da man offroad die Reichweite nicht in Kilometern sondern in Spaß-Minuten rechnet, gibt KTM die erhöhte Reichweite auch so an: Eine Ladung soll jetzt für bis zu 90 Minuten Spaß im Gelände reichen.

Außerdem kann die neue Freeride E-XC rekuperieren, indem sie die im Freilaufbetrieb und beim Bremsen anfallende Energie zurück in die nun schneller aufzuladende Batterie speist. Die Mattighofener versprechen, dass auch nach 700 Lade- und Entladezyklen immer noch über 70 Prozent der ursprünglichen Kapazität vorhanden sein sollen. Aber auch am Fahrwerk legte man nach: Eine neue Upside-down-Gabel soll das Ansprechverhalten verbessern, dazu kommt ein Federbein mit optimierter Progression und erweiterten Einstellmöglichkeiten.

Trotz der höheren Leistung ist sie als Leichtkraftrad und ab 16 Jahren zugelassen. Der Preis beträgt 6466 Euro netto Euro plus Nebenkosten. Dazu kommen noch gut 2516 Euro für den Akku und gut 670 Euro für das Ladegerät. Alternativ kann man Letztere für 49 Euro brutto (knapp 42 Euro netto) im Monat vier Jahre lang leasen.

Aus Spanien, nicht aus dem hohen Norden, wie es der Name vermuten ließe, stammen Nuuk Cargo, Urban und Tracker (4 oder 10,5 kW), die eher auf robust machen. Robust ist auch bei ihnen der obligatorische Bosch-Antrieb, den fast alle Hersteller nutzen. Auch der chinesische Hersteller Niu, wo man nach Höherem strebt. Richtung BMW C-Evolution-Großroller, um genau zu sein. In diese Richtung schien jedenfalls das für 2018 geplante N GTX-Konzept zu zielen, das bis zu 100 km/h erreichen soll.  Womit wir in Asien angekommen wären, dem Mekka der E-Zweiräder. Aufgefallen ist hier auch das knapp 1,7 Meter kurze Mini-Superbike „Otto MCR“, was für „Mini City oder Cafe Racer“ steht. Es bietet die drei Fahrmodi Eco, Comfort und Sport, welche man über den Ganghebel wählt, was wiederum an „echte“ Racer erinnern soll. Immerhin 7,5 kW macht das Mini-Superbike locker, was für bis zu gut 100 km/h Spitze reichen soll.

Bleibt als einer der E-Pioniere noch das US-Unternehmen Zero, das sich diesmal auf Detailverbesserungen seiner mittlerweile sechs Baureihen beschränkte, die vor allem die Akkuleistungen betrafen: Hier will man die Batteriekapazität des 2018er-Jahrgang um 10 Prozent erhöht haben. Drei neue Batterietypen sollen neue Maßstäbe im Zweiradsegment setzen: Im gemäßigten Innerstadtbetrieb sollen bis zu 375 Kilometer Reichweite drin sein und das Topspeed wurde bis auf gut 160 km/h angehoben. Gleichzeitig gingen die Ladezeiten je nach Akkugröße auf ein bis zwei Stunden zurück.  

Neben den Antrieben legt Bosch aber auch in Sachen Konnektivität nach und will hier klar die Rolle des Innovationsführers spielen.  Wie das aussehen könnte, zeigte man an einem BRP Can-Am Spyder, der für 2018 eine neue volldigitale Instrumententafel erhält. Über BRP Connect sollen die Fahrer Zugriff auf ausgesuchte Drittanbieter-Apps haben, darunter wie Genius (Navigation) oder Accu Weather (Echtzeit-Wetterdaten). Bedient wird das Ganze klassisch über Tasten links am Lenker. BMW nutzt dagegen wie beim Pkw einen Multi-Controller, während Indian für die schweren großen Maschinen einen vor allem mit Handschuhen rückmeldungsarmen Touchscreen verbaut – was auf langen, schnurgeraden US-Highways noch angehen mag, auf kurvigen Alpenstraßen aber eher weniger Sinn macht. Doch auch die Zweiräder gehen klar in Richtung Konnektivität.  
 

Was bedeutet das?

Auch bei den Zweirädern ist die Elektrifizierung noch längst nicht so weit, wie man vielleicht vor einigen Jahren hätte annehmen können. Das Thema bleibt auch hier erstmal in der Nische, die da heißt Roller samt Sharingmodellen und Hardcore-Offroad, um die Natur nicht unnötig mit Abgasen zu belasten. Auch in Sachen Connectivity entwickelt sich viel, was sich vor die Felder Reiseplanung und Wettervorhersagen betrifft. Auch die Zweiräder entwickeln sich damit zu leisen rollenden Rechnern - doch bis aus den Motorrädern Elektromotorräder werden, werden noch einige Jahre ins Land gehen.

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