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Fahrbericht neuer Nissan Leaf: Nachgeschärfter Elektro-Bestseller

Die Neuauflage des weltweit meistverkauften Elektroautos hat zwei Hauptkritikpunkte des Vorgängers abgelegt und sollte deshalb noch erfolgreicher werden als dieser.

Nissan hat nicht nur das Design des Leaf nachgeschärft, sondern vor allem die E-Technik verbessert. | Foto: G. Soller
Nissan hat nicht nur das Design des Leaf nachgeschärft, sondern vor allem die E-Technik verbessert. | Foto: G. Soller
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Gregor Soller

Als Nissan 2010 den ersten Leaf präsentierte, sorgte der noch für Staunen und polarisierte mit einem sehr weichen Design. Trotzdem gelang es den Japanern dank steter Modellpflege samt Reichweitenerhöhung von einst 122 auf 175 Kilometer, eine eingeschworene Leaf-Gemeinde samt einiger Flotten und Taxiunternehmen auf den Stromer einzuschwören. Nach gut sieben Jahren sollten es gut 300.000 an der Zahl sein.

Und die hatten einige Ideen für den Nachfolger. Die drei wichtigsten waren: Mehr Reichweite, mehr Biss im Design und mehr Komfort beim Laden. Und, ja, mehr Kofferraum dürfte auch noch sein. Weil die komplett neue Konzernplattform noch nicht zur Verfügung steht, übernahm man einige Komponenten vom Vorgänger und machte sich daran, beim neuen Leaf all diese Wünsche zu erfüllen.

Man stellte ihn auf eine neue Plattform mit 2,7 Meter Radstand und packte einen mit 435 Liter anständig großen Kofferraum dahinter, der sich auf bis zu 1176 Liter erweitern lässt. Schade nur, dass dann eine große Stufe im Laderaum stehen bleibt, da sich nur die Lehnen umlegen lassen. Da fordert die Technik im Stockwerk darunter einfach noch ihren Tribut. Sie braucht allerdings nicht mehr Platz als beim Vorgänger: Dank erhöhter Zelldichte bringen die in Kooperation mit Panasonic entwickelten Akkus jetzt bis zu 270 Kilometer kombinierte Reichweite nach (strengerem) WLTP-Zyklus, in der Stadt sollen sogar bis zu 389 Kilometer drin sein.

Das haben wir beides überprüft und stellten fest: Das könnte hinkommen – sofern man die gestiegene Leistung von 110 kW und 320 Nm Drehmoment nicht permanent nutzt. Erste Testfahrten führten in Teneriffa den Vulkankegel des Teide hinauf und wer hier das Leistungspotenzial des Leaf abruft und noch etwas Autobahn mit gut 120 km/h dazu packt, landet schnell unter 200 Kilometern. Den Stromverbrauch gibt Nissan mit 20,6 bis 19,4 kWh pro 100 Kilometer an, wir lagen am Ende bei 16,4 kWh und hätten nach 151,4 Kilometern noch 61,5 Kilometer Restreichweite gehabt. Wobei die Verbrauchsmessung bei Nissan schneller reagiert als die Reichweitenanpassung. Innerstädtisch verliert der Leaf dagegen kaum an Reichweite, so dass die Angaben durchaus machbar erscheinen, sofern man den Fahrpedalfuß etwas im Zaum hält. Alternativ sprintet der Leaf jetzt in 7,9 Sekunden auf 100 km/h und macht es einem leicht, etwa am Berg Radler zu überholen.

Dazu passend hat Nissan Fahrwerk und Lenkung für Europa merklich nachgeschärft: Die Lenkungsübersetzung wurde im Gegensatz zur Japan- und US-Version von 3,2 auf 2,6 verkleinert, was mehr Präzision bringt und auch das Feder-Dämpfer-Setting wurde fahraktiver abgestimmt. Entsprechend straff fährt sich der neue Leaf, wenngleich die fast 1,6 Tonnen Leergewicht spürbar bleiben – da schlägt die Physik zu. Das gilt auch für die Windgeräusche, die umso mehr stören, als der Leaf auch bei höheren Tempi wunderbar leise bleibt. Im Vergleich zum Vorgänger wurde er noch deutlich besser isoliert, lässt aber etwas Feinschliff an der Karosserie vermissen. Wo etwa ein 5er-BMW fast keine Windgeräusche macht, hört man beim Leaf (leider) schon den Sturm tosen, was ab 120 km/h deutlich auffällt. Etwas störend sind auch die massiven A-Säulen, die in Serpentinen ganze Motorradfahrer verdecken können und der schmale Spalt unter dem Innenspiegel und dem Armaturenbrett. Hier muss man teils bewusst „unten durch“ blicken, da sich über dem Spiegel die Technik für die Assistenzsysteme breit macht – ein Übel, dass der Leaf mit vielen modernen Autos teilt.

Die wurden dafür ebenfalls nachgebessert: Der „Pro Pilot“ unterstützt einem beim Abstand und Spur halten sowie beim Lenken: Auf der Autobahn oder im Stopp&Go erleichtert er einem das Fahren merklich, wenngleich man die Hände weiter am Lenkrad halten muss. Fahren und Rekuperation steuert man wie bisher über den „Wählhebel“ auf der Mittelkonsole, der in „D“ kaum, in „B“ stärker und per sogenanntem „e-pedal“ mit bis zu 0,2 g Kraft - also merklich – verzögert, wobei das aktivierte „e-pedal“ sinnvollerweise auch die Bremsleuchten aktiviert. Bei Bergabfahrten rekuperiert der Leaf auch in Stufe „D“ bereits, spart sich dafür den „Segelmodus“. Und Einparken kann er optional auch (fast) allein: Parkhilfetaste drücken, und warten, bis eine Lücke gefunden ist. Dann im Screen den Parkwunsch bestätigen und das Auto per gedrückter Parkhilfetaste machen lassen. Dabei muss man weder lenken, noch „Gas“ geben oder bremsen noch zwischen Vor- und Rückwärtsfahrt wechseln. Wenngleich der Leaf sich beim seitlichen Einparken leichter tut, als bei senkrechten Lücken. Ist hier genug Platz, parkt man schneller selbst ein.

Ansonsten ging man auch beim Infotainment einen Schritt weiter, ohne allerdings neue Maßstäbe zu setzen. Das Navi gehört nicht zu den Allerschnellsten und induktives Laden des Smartphones ist (noch) nicht vorgesehen, obwohl es bereits eine Ladeschale gibt. Hier gibt Ian Shepherd, Produktentwickler aus Großbritannien, aber auch zu, dass man die Kosten im Blick behalten musste, was auch eine Teleskopverstellung der Lenksäule und hinterschäumte hintere Türverkleidungen vereitelte. Dennoch ist der Leaf sauber und ordentlich verarbeitet, lässt zum Attribut „Premium“ aber einen fühlbaren Respektabstand.

Trotzdem oder gerade deshalb wird er seinen Weg machen: Das neue, nachgeschärfte Design bietet der Kritik und dem Wind weniger Angriffsfläche (der cW-Wert beträgt 0,28) und die Preise beginnen netto bei knapp 26.850 Euro und enden bei knapp 32.000 Euro netto für die Topversion „Tekna“, die kaum Wünsche offen lässt. Das avisierte Klientel scheint der Leaf jedenfalls überzeugt zu haben: Laut Nissan sollen bereits 12.000 Vorbestellungen vorliegen – von künftigen Kunden, die den neuen Leaf tatsächlich „blind“ bestellt haben.

Was bedeutet das?

Nissan hat den Leaf gezielt weiterentwickelt und vor allem dank der erhöhten Reichweite deutlich alltagstauglicher gemacht – und bei den Preisen trotzdem Maß gehalten. So könnte sich die Erfolgsgeschichte fortsetzen und sogar noch ein paar Stufen in der Zulassungsstatistik höher klettern. Der Hersteller zeigt, wie ein alltagstauglicher, halbwegs erschwinglicher "Elektro-Volks-Wagen" in der Kompaktklasse aussehen muss.

 

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