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Elektromobilität: VW eCrafter nimmt Kurs in Richtung Serie

Bei letzten Abnahmefahrten macht der erste große Elektrotransporter eines etablierten Herstellers einen serienreifen Eindruck, auch dank zahlreicher Antriebskomponenten aus dem eGolf. Vision Mobility fuhr schon vorab Probe.

Setzt den Lieferverkehr unter Strom: VW Nutzfahrzeuge will mit dem eCrafter den Pionieren von StreetScooter/DHL Paroli bieten. Das Fahrzeug wirkt serienreif. | Foto: VWN
Setzt den Lieferverkehr unter Strom: VW Nutzfahrzeuge will mit dem eCrafter den Pionieren von StreetScooter/DHL Paroli bieten. Das Fahrzeug wirkt serienreif. | Foto: VWN
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Johannes Reichel

Volkswagen Nutzfahrzeuge steht bei der Entwicklung des vollelektrisch angetriebenen Crafter kurz vor dem Serienanlauf. Nach den letzten Abnahmefahrten, bei denen Vision Mobility vorab teilnehmen konnte, sollen die ersten Fahrzeuge wie angekündigt in erste Feldtests bei ausgewählten Flotten gehen. Man sei aber zuversichtlich, dass diese Praxistests nur eine kurze Phase benötigen würden und das Fahrzeug dann im nächsten Jahr regulär in Serie geht, versicherte VWN-Vorstand Eckhard Scholz bei den letzten Probefahrten auf dem VW-Testgelände in Ehra-Lessien. Tatsächlich erwies sich das Fahrzeug bei den ersten Proberunden als erstaunlich ausgereift. Der Antritt erfolgt äußerst sanft und gut dosierbar, nötigenfalls beschleunigt der eCrafter mit seinen 290 Nm Drehmoment aber nachdrücklich durch, auch mit einer Tonne Beladung an Bord. Bei niedrigerem Tempo hat VWN ein Fahrgeräusch "moduliert", das Passanten warnen soll. Ansonsten hört man generell äußerst wenig vom Antrieb. Der eCrafter ermöglicht eine enorm leise und entspannte Fahrweise, Zugkraftunterbrechungen gibt es bei dem stufenlosen Getriebe nicht.

Diskrete Rekuperation

Beim Thema Bremsen haben die Entwickler einen guten Kompromiss aus Energierückgewinnung und Rollfähigkeit getroffen: Der eCrafter rekuperiert nur diskret und lässt die 3,5-Tonnen-Fuhre so gut es geht rollen. Dennoch sollte bei vorausschauender Fahrweise der Tritt auf das Bremspedal Seltenheit haben. Der Hersteller bedient sich großteils aus dem Konzernbaukasten und setzt bewährte Bauteile aus dem Elektro-Golf ein. So stammen der VW-eigene Elektromotor mit Getriebe, der 35,8-kWh-Lithium-Ionen-Batteriesatz sowie die Leistungselektronik aus den Regalen der Pkw-Abteilung. Für den Einsatz im eCrafter wurden die Bauteile allerdings verstärkt.

Kleine Akkus, mehr Nutzlast, weniger Kosten

Im Vergleich zur auf der IAA 2016 präsentierten Studie eCrafter hat VWN die Akkus um gut 5 kWh kleiner dimensioniert. Nach intensiven Nutzeranalysen und Kundenbefragungen unter 1.500 kleinen, mittleren und großen Unternehmen habe sich herauskristallisiert, dass 100 Kilometer alltags- und auch winterfester Reichweite in den meisten Fällen genügen, begründete ein Entwickler den Schritt. Zudem wolle man damit zum einen die Kosten sowie den CO2-Fußabdruck bei der Herstellung der Akkus im Rahmen halten, zum anderen auch die von den Kunden höher priorisierte Nutzlast erhalten. Insgesamt wiegt der eCrafter in seinem finalen Stadium allerdings etwa 500 Kilogramm mehr, die vor allem auf das Konto der Energiespeicher, aber auch von Crashverstärkungen gehen. Dennoch soll beim 3,5-Tonner eine Tonne Nutzlast verbleiben. Bei der 4,25-Tonnen-Version, die aufgrund der Sonderregelung für E-Fahrzeuge auch noch mit Pkw-Führerschein gefahren werden darf, sollen 1,75 Tonnen verbleiben.

Für lange Strecken bleibt der Diesel Trumpf

"Wir glauben, die Größe der Akkus ist für den Anfang und für die Anwendung genau richtig, schließen aber nicht aus, dass mit der rasanten Entwicklung der Akkutechnologie auch künftig optional erhältliche Varianten mit größerer Reichweite verfügbar sein könnten", formulierte Scholz. Er verwies aber darauf, dass für Langstreckenanwendungen der Diesel-Motor grundsätzlich die deutlich effizientere Antriebsoption sei. "Wir setzen hier auch weiter auf den Diesel. Nur in der Stadt, da wird es keine Alternative zur Elektromobilität geben", ist der VWN-Vorstand sicher. "Stadtverkehr, das ist doch für jede Diesel-Maschine eine Qual. Dennoch müssen das eine tun ohne das andere zu lassen", unterstrich er.

Was bedeutet das?

Von der exklusiven und teuren Kleinserie des Iveco Daily Electric abgesehen, nimmt erstmals ein elektrisch angetriebener großer KEP-Transporter von einem der etablierten Autohersteller Kurs in Richtung Serie und hinterlässt gleich einen sehr reifen Eindruck, der eGolf lässt grüßen. Ob die mutig vorangepreschten StreetScooter/DHL da technisch noch mithalten können, wird sich zeigen. Und mit Daimler mischt ab nächstem Jahr ein weiterer Player mit in Sachen E-Mobilität bei leichten Nutzfahrzeugen. Die bewegen sich in einem Feld, auf dem Elektroantrieb eigentlich erst richtig Sinn macht, vor allen Privat-Pkw. Leider werden diese Potenziale in der öffentlichen Diskussion bisher sträflich vernachlässigt: Gerade die Lieferbranche, aber auch viele Handwerks- und Service- oder Kommunalbetriebe sowie Personenbeförderer könnten eine Speerspitze der E-Mobility in den Städten bilden - und aufgrund ihrer Frequenz und Präsenz für echte Luftentlastung sorgen. Hierauf sollte der Fokus staatlicher und kommunaler Förderung liegen. Ein Einstieg könnte der eCrafter sein. Er soll einen annehmbaren Preis bieten - und könnte damit ein Game-Changer werden.

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