Werbung
Werbung

CES 2019 exklusiv: Daimler-Trucks-Chef Daum setzt auf Elektro statt Erdgas

Bei einem „Round Table“-Gespräch nahm Daimler Trucks-CEO Martin Daum Stellung zu drängenden Zukunftsfragen. Von LNG hält er nichts, von der Brennstoffzelle umso mehr. Und Automatisierung sieht er für die "Vision Zero" als unerlässlich an.

Für und Wider: Daimler-Trucks-CEO Martin Daum hat Verständnis für die Ängste vor Arbeitsplatzverlust, hält aber entgegen, dass in der Geschichte immer neue Arbeitsplätze entstanden seien. | Foto: Daimler
Für und Wider: Daimler-Trucks-CEO Martin Daum hat Verständnis für die Ängste vor Arbeitsplatzverlust, hält aber entgegen, dass in der Geschichte immer neue Arbeitsplätze entstanden seien. | Foto: Daimler
Werbung
Werbung
Gregor Soller

Die Zahlen sind das eine. Doch das andere sind die Beweggründe: Hinter der Daimler-Pressemitteilung zum 500-Millionen-Euro-Invest in die Automatisierung von Lkw verbargen sich zahlreiche weitere Aspekte, zu denen Daimler-Trucks-CEO Martin Daum im Gespräch ausführlich Stellung nahm. Dabei positionierte er sich zu einigen Punkten sehr klar, allem voran beim Thema Elektromobilität: Wenn man eines Tages wirklich CO2-neutral und emissionsfrei transportieren wolle, ginge das in letzter Konsequenz nur rein elektrisch, so die Überzeugung des Nutzfahrzeugsparten-Chefs. Den derzeit von anderen Herstellern wie Iveco, Scania und Volvo forcierten LNG-Antrieb sieht er übrigens kritisch: Es könne nicht sein, dass man einen fossilen Brennstoff einfach durch einen anderen ersetze. Wobei Daum unter „elektrisch“ sowohl den batterieelektrischen Antrieb als auch die Brennstoffzelle versteht, wie eine Nachfrage ergab. Beides werde aktuell weiterentwickelt und habe laut Daum noch großes Potenzial. Das gilt noch mehr für das autonome Fahren. Hier sei man seit der ersten Präsentation am Hoover-Damm viel weiter gekommen als gedacht:

„Unsere bisherigen Schritte waren winzig klein verglichen mit dem, was wir für die Zukunft erwarten“, erklärte er

und gab zu, dass das Thema in vielen weniger dicht besiedelten Regionen der USA deutlich einfacher umzusetzen und virulenter sei als in Europa. Entsprechend wird man Level 3 auslassen und sich als nächsten Schritt gleich Level 4, das fast vollautomatische Fahren entwickeln. Aktuell werden die neuen Cascadia-Modelle ab Juli fähig sein, nach Level 2 zu fahren – wo dem Fahrer auch schon sehr viel Arbeit abgenommen wird, wie wir uns auf einer Runde in Nevada überzeugen konnten. Im Jahresverlauf 2019 soll noch ein erster Prototyp, der hochautomatisiert nach Level 4 fährt, präsentiert werden.

Im Lauf des nächsten Jahrzehnts zu Level 4

Und bis wann könne man Level 4 erreichen? Daum rechnet hier damit, dass man „im Laufe der nächsten Dekade“ soweit sein könne, wobei er das nicht exakt vorhersagen möchte. Stand 2015 rechnete er selbst noch mit deutlich langsameren Fortschritten. Dafür erhöht er jetzt das Tempo und führt dafür zwei Hauptgründe an: Erstens soll sich das Frachtaufkommen weltweit zwischen 2015 und 2050 nochmal verdoppeln. Zweitens: Immer noch sind weit mehr als 90 Prozent aller Lkw-Unfälle von den Menschen verursacht!

Auf die Nachfrage, ob das autonome Fahren nicht Arbeitsplätze kosten werde und Angst schüren könnte, antwortet Daum differenziert. Ja, neue Entwicklungen hätten immer Arbeitsplätze gekostet, aber dafür seien in anderen Bereichen immer wieder neue Arbeitsplätze entstanden. Auch im Transportgewerbe würde heute schließlich komplett anders gearbeitet als vor 100 Jahren. Außerdem käme der Wandel nicht schlagartig, sondern Stück für Stück.

„In den USA gibt es rund vier Millionen Lkw, wenn wir davon 100.000 automatisieren könnten, wäre das schon eine riesige Anzahl – es blieben aber immer noch 3,9 Millionen konventionelle Lkw übrig“, rechnet Daum vor.

Die Sorgen der Menschen seien verständlich: Die US-Kollegen berichten, das rund zwei Drittel der Amerikaner autonomes Fahren kritisch sähen. Das macht Daum weniger Sorgen als in Europa, wo man „manchmal den Eindruck habe, 95 Prozent lehnten autonomes Fahren ab“. Hier sei noch ein weiter Weg zu gehen, denn technisch sei man schon weit gekommen.

Gretchenfrage: Wie steht es um die Datensicherheit?

Worauf auch die ständige Frage nach der Datensicherheit kommt. Welche Daum erwartet hat: Hier habe man neue Mitarbeiter eingestellt, die sich ausschließlich damit beschäftigen. Trotzdem: Die aktuell erreichten 99 Prozent Sicherheit der Systeme reichten beim Lkw nicht aus – hier müsse man auf 99,99999999 Prozent kommen, um die gewünschte Sicherheit zu erreichen, denn Lkw-Unfälle seien immer dramatischer als Pkw-Unfälle.

Außerdem äußert er sich zur Bezahlbarkeit: Transporteure bräuchten einen Business Case, wie ein Kollege fordert: „Make me money or save me money“. „Sie beschreiben meinen Job“, kontert Daum, der versichert, dass man sowohl im autonomen Fahren als auch bei der Elektrifizierung Business-Cases errechnet habe. Wann und wie die eintreffen, traut er sich aber nicht exakt vorherzusagen. Zumal man bei den Lkw-Akkus noch ein Problem habe, das beim Pkw noch nicht aufgetaucht ist: Die Langlebigkeit der Akkus. Diese müssten bei einem US-Lkw im Idealfall 15 Jahre und 1,6 Millionen Kilometer halten – eine ganz andere Dimension als beim Pkw. Weiter sei man bei der Automatisierung. Hier habe man haltbare und stabile Sensoren entwickelt, die dem Transportalltag standhalten könnten, versichert Daum.

Was bedeutet das?

Die Kernaussage des Daimler-Trucks-Chefs lautet ganz klar: Man muss trotz aller teils berechtigter Bedenken zügig weiterentwickeln in Sachen Automatisierung und Elektrifizierung: Wenn man das nicht tue, werde es mit den reduzierten Unfallzahlen und dem CO2-neutralen Transport nie etwas. Damit dürfte der Lkw-Boss richtig liegen. Ob beim Thema LNG aber schon das letzte Wort gesprochen ist, wagen wir zu bezweifeln. Die Option CO2-Neutralität über Biomethan und die noch völlig unerschlossene Nutzung von Abfallreststoffen lässt Daum völlig außen vor. Vielleicht hat sich Daimler auch zu früh aus dem Thema verabschiedet. Iveco, Volvo und der VW-Konzern mit Scania (und in der Folge MAN) geben hier mächtig Gas - und warten nicht auf Stuttgart.

Werbung
Werbung