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21. Technischer Kongress des VDA: Spannende erste Session

Schon die erste Plenarsession auf dem 21. Technischen Kongress hatte es in sich – und bot spannende, teils auch kontroverse Inhalte

Die erste, von Ines Arland moderierte Session, brachte durchaus kontroverse und spannnende Ergebnisse. | Foto: G. Soller
Die erste, von Ines Arland moderierte Session, brachte durchaus kontroverse und spannnende Ergebnisse. | Foto: G. Soller
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Gregor Soller

Die Umbrüche in der Branche haben auch beim VDA zu einer neuen Diskussionskultur geführt. VDA-Präsident Mattes verglich die aktuellen Umbrüche mit einem Sturm auf einen Gipfel und Oliver Wittke, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, legte gleich nach. Denn trotz der politisch eher unsicheren und protektionistischen Rahmenbedingungen findet er:

„Die Ausgangssituation gibt Grund, optimistisch zu sein.“

Denn die Klimaschutzvorgaben für 2030 gingen zwar an die Grenze dessen, was machbar sei oder sogar darüber hinaus, aber der Wettlauf um die Zukunft sei in vollem Gang. Und da wolle man sich nicht abhängen lassen und verbindliche Rechtsrahmen schaffen. Kritisch sieht er das Thema KI, wo er in Deutschland noch Luft nach oben sieht. Das gälte auch für die Akkuzellfertigung, die bis zu einem Drittel der Wertschöpfungskette im Automobilbau ausmachen könne.

Und den stellt VW mal radikal auf Elektromobilität um: Nicht sofort und ausschließlich, aber doch sehr konsequent. Auftritt Thomas Ulbrich, Mitglied des Markenvorstandes E-Mobilität. Er erklimmt die Bühne gleich, indem er drei Stufen auf einmal nimmt und so regelrecht aufs Podium springt, bevor er loslegt. Und das tut er vehement. Denn VW hat sich dem Klimaabkommen in Paris verschrieben und wenn man jetzt nicht anfange, käme man zu spät ins Ziel! Wobei er auch die ersten Unwetter und Umweltprobleme anführt. Klare Aussage VW: Wenn man jetzt nicht schnell CO2-neutral Fahrzeuge produziert – und das umfasst künftig viel mehr als nur das Bauen von Autos – hätte man in ein paar Jahren massive Probleme. Als VW besonders, denn der Konzern sei weltweit für ein Prozent des gesamten CO2-Aufkommens verantwortlich. Deshalb wolle man bis 2050 CO2-neutral produzieren. Stark ist die Verantwortung, die der Konzern hier übernimmt: Die Kunden sollen CO2-neutral produzierte Fahrzeuge erhalten, die sie im Idealfall auch CO2-neutral betreiben können und sollen.

Hinter der großen Elektrifizierungsstrategie steht eine ganz einfache Well-to-Wheel-Rechnung: So käme man mit Batterieelektrikern unter Ausschöpfen aller „grünen“ Möglichkeiten auf 184 Wattstunden pro Kilometer, alle anderen Antriebsarten folgen bestenfalls jenseits der 400 Wattstunden pro Kilometer. Für Ulbrich ein klarer Fall. Dazu kommen einfache Gründe für den Kunden: Niedrige Kosten, einfache Nutzung und ein tolles Mobilitätserlebnis. Dazu solle ein komplett neues Serviceumfeld geschaffen werden und da müssten alle mitziehen, denn Ulbrich ist sich sicher:

„Die Elektromobilität kommt – und sie kommt im Volumen!“

Und hofft zum Abschluss, dass er rübergebracht hat, wie ernst man das meint. Keine Frage – das hat er!

Etwas dezenter geht das Thema Dr. Stefan Hartung, Vorsitzender des Unternehmensbereiches Mobility Solutions bei Bosch an. Ein Problem ist der dramatische Anstieg der Mobilität, den es aber im Prinzip schon seit 10.000 Jahren gäbe, denn Mobilität brächte Lebensqualität. Dazu kämen die Lieferdienste, die ebenfalls immer mehr Kilometer produzierten. Hartung rechnet mit einer Verdreifachung der Kilometerleistung bis 2050 – ein gigantisches Wachstum – und hier fielen nun die Sauerstoffmasken aus der Decke, denn bei so viel Mobilität käme etliches unter die Räder – und zum Stillstand, denn auf verstopften Straßen findet Mobilität eben gar nicht mehr statt! Und sie fordert jährlich immer noch 1,3 Millionen Tote weltweit. Entsprechend steuert auch Bosch gegen, mit organisierter und effizienter Mobilität. Doch auch hier warnt Hartung:

„Daten führen dazu, dass man in ihnen nur noch Erdöl oder eben Geld sieht.“

Und da lauere das nächste Problem. Denn dann würde die Steuerung und künstliche Intelligenz schnell an Akzeptanz verlieren. Deshalb sei hier Transparenz oberstes Gebot. Und die Tatsache, dass es noch lange eine Koexistenz von autonomen und nicht autonomen Fahrzeugen geben werde.

„Wenn sich auf einer freien deutschen Autobahn jemand die Freiheit nimmt, mit 230 km/h auf der rechten Spur zu fahren, dann ist das Einfädeln für ein autonomes Fahrzeug eben nicht ganz so trivial.“

Überzeichnet er die Zukunft der nächsten Jahrzehnte. Deshalb fordert er auch einen Aufbau einer kompetenten und komplexen Infrastruktur, einem Punkt, bei dem man die letzten 20 Jahre noch nicht so gut gewesen sei. Dich grundsätzlich hält auch er den Aufstieg zu neuen Gipfeln für machbar und spannend.

Ins gleiche Horn stößt weitgehend ZF-CEO Wolf-Henning Scheider, der aber im Gegensatz zu Ulbrich von VW den Plug-in-Hybrid favorisiert. Der laut ZFs Well-to-Wheel-Berechnungen noch lange besser abschneidet als reine Batterieelektriker. Die man auch im Portfolio hat, vor allem bei den Bussen:

„Die Städte sagen, es gibt keine Busse, ich sage: Die Städte sollen mal bestellen!“

Denn auch ZF bietet das volle Elektrifizierungsportfolio vom kleinen Scooter bis zum schweren Nutzfahrzeug an. Und engagiert sich mit dem Hochleistungsrechner ZF Pro AI Robo Think auch mit hochintelligenten Gesamtsystemen und KI-Software, wenngleich man hier niemals alles allein entwickeln könne und wolle und immer mit Partnern wie zum Beispiel Nvidia kooperiert. Auch hier startet man mit dem e.GO Mover, der eines Tage vollautonom und ab 2021 mit 15.000 Einheiten jährlich rollen soll. Doch auch Scheider ist sich sicher, dass der Gipfel erklommen werden kann.

Ihm folgte der letzte Redner der Plenarsession, Dr. Tom Vöge, seines Zeichens Verkehrspolitischer Experte und einziger Nicht-Industrieller und damit auch kritischer Mahner der Runde. Entsprechend kritisch steigt er ein: Bezüglich autonomen Fahrens ruft er verschiedenste Zeiträume auf:

„Manche Quellen unken, dass wir autonomes Fahren nach Level 4 oder 5 nie erreichen werden. Fragt man Elon Musk, könnte das bereits in vier bis fünf Wochen Realität sein. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.“

Auch Vöge weist nochmals auf die Koexistenz von autonomen und nicht-autonomen Fahrzeugen hin, die noch lange Fakt sein wird. Auch die absolute Entlastung des Verkehrs durch autonome Pods sieht er noch nicht als gesetzt: Wenn in solchen Fahrzeugen wieder nur ein oder zwei Personen sitzen, die vom ÖPNV umgestiegen sind, sei nichts gewonnen, oder noch schlimmer: Wenn zig autonome Fahrzeuge mit kleinteiligen Päckchen durch die Gegend führen. Überhaupt sei das Thema autonomes Fahren seit 1999 kaum weitergekommen: Seitdem existiert in Rotterdam ein autonomes Park-Shuttle, das im Mischverkehr ohne „Sicherheitsfahrer“ immer noch unterwegs sei. Und seit seiner Doktorarbeit im Jahre 2001, als der sich explizit dem Thema gewidmet hat, seien die Fortschritte überschaubar geblieben. Auch die viel gelobten US-Startups wie Waymo und Co. hätten hier trotz erheblichem Geld- und Materialeinsatz immer noch nicht den Durchbruch erzielt. Insofern schließt Vöge die Session auch in der folgenden Diskussionsrunde mit der ernüchternden Erkenntnis ab, dass die Mobilitätsrevolution dann doch weniger disruptiv kommen könnte, als bisher immer angenommen wurde. Und ja, auch in zehn Jahren werde es in Innenstädten noch Menschen geben, die ein eigenes Auto besitzen, einfach weil die „Liebe zum Auto“ immer noch da sei.

Was bedeutet das?

Applaus, Applaus! Unter Bernhard Mattes hat der VDA zu bunteren und kritischeren Tönen gefunden und stellt sich den Zukunftsthemen durchaus kritisch. Was geblieben ist: Die perfekte Organisation des Technischen Kongresses samt der hochwertigen Inhalte.

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