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Car-Symposium 2019: Alle können gewinnen

Gregor Soller

In der Mobilität bleibt derzeit (fast) kein Stein auf dem anderen. Gastgeber Ferdinand Dudenhöffer bezeichnete es für die Mobilitätsbranche derzeit als das „größte Spiel - und wenn man mitmacht, gibt es unendlich viel zu gewinnen!“

In der Mobilität bleibt kein Stein auf dem anderen. Gastgeber Ferdinand Dudenhöffer bezeichnete es für die Mobilitätsbranche derzeit als das „größte Spiel - und wenn man mitmacht, gibt es unendlich viel zu gewinnen!“

Ferdinand Dudenhöffer ist bekannt dafür, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen oder auch mal unangenehme Fragen zu stellen – außerdem schmettert gerne mal die ein oder andere These, die dann nicht unbedingt immer so eintreten mag, doch generell gehört er zu denen, die nach vorn und nicht nach hinten schauen. Deshalb legte er sein 19. Car Symposium auch vor dem Hintergrund der letzten Aussagen der Verkehrspolitik bewusst auf die Zukunft aus. „Früher hatten wir Angst und wenn man Angst hat, nimmt man gern auch mal eine blockierende Haltung ein“, erklärt er, doch der Umbruch biete neue Chancen für Autoindustrie und Zulieferer. Und die gilt es Auszuloten, so dass er hofft, dass man am Endes Tages ein klareres Bild hat, wie man sich in dem „neuen Spiel“ positioniert, denn die Chancen seien größer als Risiken.

Das sieht prinzipiell auch Wolfgang Langhoff, Vorstandsvorsitzender der BP Europa SE so, der am Standort Bochum, der Aral-Zentrale praktisch Heimvorteil genießt, wenngleich er die derzeitige Entwicklung korrigiert: Sie sei nicht disruptiv, sondern eher ein „fließender Übergang“, zumal man auf man nicht verzichten könne. Sie sei „nicht Folge sondern Grundlage zu Prosperität und Wohlstand“ und dafür brauche es alltagstaugliche Lösungen.

 Trotzdem sieht er die geplanten Einsparungen der CO2-Emissionen bis 2030 kritisch: Dann dürfe ein Verbrenner-Pkw rein rechnerisch nur noch 2,7 Liter verbrauchen. Um die Flottenziele zu erreichen, müsse bereits 2025 ein Viertel, 2030 die Hälfte der Neuwagen elektrisch sein. Im deutschen Fahrzeugbestand seien 2030 aber immer noch rund 30 Mio. Verbrenner, über denen dann das Damoklesschwert der Fahrverbote schwebe. Deshalb plädiert er für Technologieoffenheit. Dazu zählen neben Flüssgkraftstoffen aller Art für ihn auch Ladetechnik. Deshalb übernahm man Chargemaster, einen britischen Spezialisten für Ladetechnik, doch wie gesagt: „Die Vollelektrifizierung kann nur Teil der Lösung sein“. Denn auch synthetische Kraftstoffe oder Wasserstoff lassen sich CO2-neutral erzeugen, außerdem werden die Verbrenner effizienter. Deshalb geht Langhoff von einem Antriebsmix aus, bei dem BP auch die flüssigen Kraftstoffe weiter im Fokus behält. Deshalb rechnet er in Sachen Mobilität mit einer evolutionären Entwicklung, nicht mit einem Bruch. Denn CO2 arme flüssige Energieträger reduzieren CO2-Ausstoß unmittelbar, und auch der Diesel hat hier weiter eine Berechtigung. Entsprechend sei ein dogmatischer Ausschluss von Optionen wenig hilfreich.

Auf die provokante Frage, wann Aral respektive BP seiner letzten Tankstellen schließe, hat Langhoff natürlich eine Antwort, denn auch er sieht hier mehr Chancen als Risiken: Die drei Säulen Kraftstoff, Shop und Waschen gäbe es weiterhin, trotzdem könne sich das Geschäft komplett ändern. Als Beispiele nennt er die Tankstelle der Zukunft einen Ort für Ultrafast-Charging, einen Umsteigeplatz von/zu autonomen Shuttles, eine Service-Station von autonomen Flotten, Landeplatz für Lufttaxis, Batteriewechselautomat, oder Meeting Points mit Büro- und Arbeitsräumen. Auf dem Land könnte die Tankstelle auch die Nahversorgung übernehmen.

Die Industrie stehe vor einer „doppelten Herausforderung“: Der Energiebedarf steigt, CO2-Emissionen sollen sinken, auch bei BP. Hier sollen die Nettoemissionen 2025 auf dem Niveau auf 2015 bleiben, trotz wachsender Geschäfte. Dudenhöffers provokanten Einwurf, BP könne noch 10-15 Jahre vom Bestand leben -  so viel Zeit hätte nicht jeder – kontert er mit der Grundsatzfrage, dass man wissen wolle, ob man Energie herstellen oder distributieren wolle – und BP will beides. So zähle man in den USA bereits zu den Top Ten in Sachen Energieerzeugung durch Windkraft.

Doch auch bezüglich alternativer Kraftstoffe und CNG respektive LNG und LPG hakt der Gastgeber nochmal nach: Die Erdgasdiskussion sei seit 20 Jahren gefloppt, warum sollte das jetzt klappen? Hier antwortet Langhoff vorsichtiger. Die Nachfrage existiere vor allem regional, dort wo es entsprechende Flotten gibt, außerdem steige die Nachfrage nach dieser „Lösung oder Notlösung“, so Langhoff.

Fertigungstechnisch noch in der Zukunft liegt dagegen die Akkuproduktion der Firma Northvolt, deren Mitbegründer und COO Paolo Cerruti als nächstes sprach. Seine Erfahrungen bei Tesla mit deren Gigafactory gaben mit Anlass zur Gründung, denn: Tesla habe sehr bald verstanden, dass man ein Gesamtsdystem anbieten müsse und keiner die Möglichkeit hatte, die nötige Schnellladetechnik und Akkukapazität so schnell bereitzustellen, wie Musk sie gebraucht hat. Und: In der Akku- respektive Zellfertigung sei Größe entscheidend. Und da Europa nach China der am schnellsten wachsende Markt war, in Sachen Akkutechnik aber einer Wüste glich, war für Cerruti klar, das Northvolt als europäischer Akkuhersteller zu gründen sei. Und nicht nur schwedische Hersteller stiegen hier mit ein. Außerdem sei der Druck aus der Politik groß, zumal die bisher prognostizierten Akkubedarfe schon wieder obsolet sein: Aktuell rechnet man für Europa Bis 2030 mit 416 GWh Bedarf, 2018 wurden noch keine 10 Gigawatt benötigt! Doch warum wurde Northvolt 2016 ausgerechnet in Schweden gegründet? Weil Schweden reich an Rohstoffen sei und gerade Akkus mit einem sehr kleinen CO2-Footprint erzeugt werden können. Dazu kämen kurze Wege der Rohmaterialien und der Fertigprodukte zu den Kunden. Aktuell seinen rund 70-80 kWh nötig um 1 kWh zu erzeugen. Diesen Faktor kann man in Schweden klar drücken. Außerdem biete Nordschweden die billigste Energie nach Island, das logistisch einfach zu abgelegen liegt. Doch es gäbe Nickel, Kupfer, Kobalt, und große Erfahrungen in der Metallurgie. Wichtig sei auch Recycling, das sich nicht so schnell wie die Neufertigung entwickelt, doch ab 2030 oder 2035 könnten 50% der Akkus aus Recyclingmaterial bestehen.

 
Ferdinand Dudenhöffer (2. v.li.) in er Diskussionsrunde mit Akira Yoshino (li.) von Asahi Kasei, Martin Winter (2. v. re.) vom MEET und Winfried Wilcke von IBM Research. | Foto: G. Soller
Ferdinand Dudenhöffer (2. v.li.) in er Diskussionsrunde mit Akira Yoshino (li.) von Asahi Kasei, Martin Winter (2. v. re.) vom MEET und Winfried Wilcke von IBM Research. | Foto: G. Soller
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Ein uralter „Hase“ im Geschäft ist dagegen Akira Yoshino: Er ist kein Geringerer als der Erfinder des Lithium-Ionen-Akkus 1985! Aber obwohl die Lithium-Ionen-Technologie noch großes Potenzial hat und immer weiterentwickelt werden kann, fordert der Altmeister, dass die Technik günstiger werden müsse und dass man keinesfalls die Grundlagenforschung vernachlässigen dürfe.  Bezüglich der Feststoffakkus und neuer Technologien müssen man „offen und neugierig bleiben“, erklärte Yoshino. Grundlagenforschung betreiben auch Martin Winter vom MEET und Winfried Wilcke, Senior Manager for Nanoscale Science&Techgnolog bei IBM Research. Wilcke forscht bei IBM gerade an künstlicher Intelligenz, neuen Algorhytmen, neuen Quantenbits für Quantencomputer. Man habe gerade ein Bit stabil auf einem Atom gespeichert, kleiner haben sie es derzeit nicht. Und 2009 hat auch IBM ein Batterieprojekt gestartet. Und an was forscht man da? Martin Winter, vom MEET, dem Münster Electrochemical Energy Technology, referiert: Alles, vom Material bis zur Zelle. Man wolle die li-Io-Technology besser machen, forsche an Lithium-Metall Technology. Alles müsse grüner werden und der Lithium-Anteil sinken. Wobei das Thema Li-Io eher „Brot und Butter“ sei, während Li-Metall oder gar Lithium-Luft noch Zukunftsmusik sei, ebenso wie der Festkörperakku.

Auch Wilcke forscht weiter, wobei man im Laufe der Forschungen über etwas „Neues“ gestolpert sei: Ein brandsicheres, günstiges Elektrolyt, denn: Die Energiedichte sei nicht mehr Problem Nummer 1 – Kosten und Sicherheit sind die neuen Hauptthemen.

Nach dieser Theorierunde mit den drei erfahrenen Gästen fragt, Dudenhöffer, wie man das Ganze jetzt schnell und in Großserie überführen könne. Darauf erklärt Wilcke unumwunden: „Wenn man was schnell machen will, verlässt man am besten Firma und gründet ein Startup. Gleichzeitig brauche man laut Yoshiro und Winter dann die Kontinuität, Vielversprechendes auch über mehrere Jahre kontinuierlich weiterzuentwickeln – ein Punkt, bei dem Japan Deutschland etwas Geduld voraus hat.

Dass man auch in Europa die Weichen umgestellt hat, wurde dann in den Keynotes am nachmittag bestätigt: So erklärte auch Pertti Lamberg von Keliber Oy, das auch in Europa eine Lithium-Gewinnung sinnvoll und möglich ist und unterstrich für seine skandinavische Firma die Aussagen Cerrutis von Northvolt, der seinerseits auf die finnischen Rohstoffvorkommen verwies. Klare Ansage der Skandinavier: Ja, auch hier ist eine Lithium-Ionen-Akku-Fertigung samt Zellproduktion möglich und das sogar mit europäischen Rohstoffvorkommen.

Lamberg folgte Stefan Sommer, nach seiner CEO-Tätigkeit bei ZF jetzt Vorstand Komponente und Beschaffung bei der Volkswagen AG. Seine Aussagen waren absehbar: Auch Volkswagen stellt sich auf Elektromobilität und neue Services ein und hat dafür, extrem konsequent den „MEB“, den hochmodularen Elektrobaukasten aus der Taufe gehoben, den man auch anderen OEMs anbietet. Taktisch ein extrem kluger Schachzug, denn auch neue „Tech-Konkurrenten“ wie Apple oder Google würden, wollten sie in die Mobilität einsteigen, eine „Plattform“ brauchen, die sie selbst eher nicht im Kreuz haben. Und mit MEB etabliert sich VW just als Provider einer solchen mobilen Plattform.

Tiefer in die Chemie stieg daraufhin nochmal Martin Brudermüller ein, Vorstandsvorsitzender und CTO von BASF. Denn auch bei BASF ist „Automotive“ die größte Sparte und wenn hier Flüssigkeiten und Füllstoffe für konventionelle Antriebe entfallen, müssen die Badenser diese Umsätze woanders suchen. Gefunden haben sie die Sparte Zellchemie für Akkus. Dazu kommen neue Werkstoff-Innovationen für die neue Mobilität. Wie das aussehen könnte, zeigte man in China mit GAC und der „2“-Serie: Das sind drei zweisitzige Citymobile der gleichen Basis für verschiedene Zielgruppen. Und die werden über verschiedene Materialitäten angesprochen, für die BASF Kunststoffe, Farben oder Folien beiträgt. Damit sollte auch BASF für die Zukunft gerüstet sein.

Den Abschluss des Symposiums bildete die Keynote von Daimler-CEO Dieter Zetsche, der den Weg eines Konzerns in die elektromobile Zukunft erklärte – und das nicht nur im Car-, sondern auch im Nutzfahrzeug- und Omnibusbereich. Auch diesmal bevorzugte er wieder Jeans und Sneakers und ließ die Krawatten im Schrank hängen. Womit er schon vor Jahren für frischen Wind in der Branche sorgte, in der tatsächlich kaum noch ein Stein auf dem anderen bleibt!

Was bedeutet das?

Zur Eröffnungssession brachte Dudenhöffer viele Hochkaräter zusammen, für die er trotzdem wieder knackige Fragen parat hatte – denn so viele Chancen die „schöne neue Welt“ auch bietet – sie wollen ergriffen und geplant werden, zumal man trotz des Wandels nicht das eine tun kann, aber das andere noch nicht lassen darf. Denn allen Unkenrufen vom disruptiven Wandel zum Trotz: Die Zukunft kommt fließend, nicht schlagartig, aber sie kommt!

 

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